Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Konzertsaal und ein Handy klingelt. Unangenehm, aber nicht schlimm. Es sei denn, es ist ihr Handy…
Niemand möchte verantwortlich dafür sein, dass sich andere Menschen durch unangenehme Geräusche gestört fühlen. Und was für den Konzertsaal gilt, gilt längst auch für den Innenbereich von Fahrzeugen.
Die besonders leise „Mobilität der Zukunft“ in elektrisch angetriebenen Fahrzeugen verstärkt dieses Bewusstsein noch. Auch bei Nutzfahrzeugen, Zügen und Flugzeugen wächst der akustische Anspruch durch den komfortableren und besser gedämmten Innenraum der Fahrzeuge. Das vermeiden von Störgeräuschen nimmt damit einen höheren Stellenwert bei der Qualitätsbewertung von Komponenten und Bauteilen ein.
So entstehen Störgeräusche
Störgeräusche bilden sich durch die Relativbewegung zweier Komponenten an ihrer Kontaktstelle. Im Fahrbetrieb entstehen Vibrationen, welche die verschiedenen Bauteile in unterschiedliche Schwingung versetzen. Diese sind abhängig vom Aufbau der Komponenten und den verwendeten Materialien. Die aus dieser Reibung entstehenden Geräusche werden von den Insassen des Fahrzeuges als unangenehm und störend empfunden.
Die Physik hinter dem Lärm: Der Stick-Slip-Effekt
Neben den Vibrationsgeräuschen sind so genannte „Stick-Slip“ Bewegungen die Hauptursache für Störgeräusche. Der „Stick-Slip“- oder Haftgleiteffekt beschreibt das Ruckgleiten sich gegeneinander bewegender Objekte. Dabei wechseln sich höhere Anhaft- und Gleitkräfte ab und verursachen die typisch-ruckhaften Bewegungen der beiden Reibpartner. Diese gehen mit als störend empfundenen Geräuschen wie Quietschen oder Knarzen einher. Klassische Beispiele sind die „quietschende“ Dichtungsgummis beim Öffnen oder Schließen der Fenster und das typische „Lederknarzen“.
Sensibilisierung und Qualitätsempfinden
Kraftfahrzeuge wurden in den letzten Jahren immer komfortabler und ruhiger. Aufgrund der besser isolierten Motor- und Abrollgeräusche nehmen die Insassen die Geräusche im Fahrzeuginnenraum heute mehr denn je wahr. Die neue Mobilität mit ihren nahezu geräuschlosen Antrieben verstärken diesen Effekt noch.
Im gleichen Maß, wie der Störgeräuschpegel im Fahrzeug sinkt, steigt der Anspruch des Kunden daran. So werden Quietsch- und Klappergeräusche zunehmend als Merkmal minderer Qualität oder mangelhafter Verarbeitung wahrgenommen. Die Beseitigung dieser Störgeräusche ist daher ein wichtiger Faktor für das Image des Herstellers.
Wo Störgeräusche entstehen
Lüftung: Die Mutter aller Störgeräusche
Das klassischste aller Störgeräusche im Fahrzeug-Innenraum ist der Lüfter. Die kleinen, schnell drehenden Lüfterblätter unterliegen besonderen Herausforderungen. Innerhalb von wenigen Minuten werden Sie von Temperaturbelastungen im mittleren zweistelligen Bereich mit kühler Luft im einstelligen Temperatur-Bereich herunter gekühlt. Zudem unterliegen Sie hohen mechanischen Belastungen. Das typische „Lüfterqietschen“ ist dabei das Ergebnis der Bildung von Reibstellen infolge von Materialausdehnung.
Displays und Touchelemente
Die Digitalisierung der Fahrzeuge macht immer größere und bessere Panels nötig. Die dienen der Information oder der Interaktion zwischen Fahrer und Fahrzeug. Sie ersetzen die klassischen Anzeigen- und Bedienelemente und müssen die Vorteile beider verbinden: eine gestochen scharfe Darstellung und eine feine Sensorik und Berührungssensibilität bis hin zur Erkennung von Gesten, die ohne Berührung über dem Display stattfinden. Die rasante Entwicklung bringt immer schwerere und sensiblere Systeme hervor, die ihre Entsprechung in der Aufnahme im Armaturenbrett benötigen. Der Materialkonflikt zwischen hartem und starren Glaspanel und relativ flexibler Kunststoffaufnahme sorgt für die Entstehung von Störgeräuschen.
Verkleidungen und Designelemente
Autos – besonders in gehobenen Preiskategorie – verkaufen sich nicht über rationale Argumente. Sie verkaufen sich über Emotionen. Diese zu erwecken ist die Aufgabe von Fahrzeug-Designern. So werden Design-Elemente in und am Fahrzeug nicht zufällig ausgewählt, sondern folgen einem auf das gewünschte Image des Fahrzeuges und der Marke abgestimmten Konzeptes. Dabei lassen sich Designer nur ungern von Konstrukteuren in ihrem Wirken beschränken. Nicht selten treiben die Wünsche und Vorgaben der Kreativen die Konstrukteure an den Rand des möglichen.
Nahtlose Übergänge von matten, flexiblen Materialien in starre Hochglanzelemente, Lederapplikationen, gewundene Design-Bauteile und passgenau eingefügte Bedienelemente sind eine Herausforderung für Konstruktion und Montage. Je enger die Bauteile aneinander liegen, desto eher bilden sich unter Temperatur oder Vibrationseinwirkung Reibstellen und Störgeräusche.
SPA statt spartanisch
Der Fahrzeuginnenraum wird mehr und mehr zur Wohlfühloase, einem Ort der Entspannung. Hersteller setzen auf indirekte Ambient-Beleuchtung und Designelemente, die Ruhe ausstrahlen. Musik erklingt in höchster Qualität aus mehr als einem Dutzend Boxen. Alle Elemente sollen nahtlos ineinander übergehen und als eine optische Einheit erscheinen. Doch all dies führt auch zu mehr Reibstellen und zu mehr Geräuschherden. Besonders die Ambient-Beleuchtung stellt hohe konstruktive Anforderungen an das Material. Hier gibt es eine Vielzahl von Reibstellen zwischen Lichtleitern und Halterungen, die sich unter ungünstigen Umständen zu Geräuschherden entwickeln können.
Dichtungen spielen im Konzert der Stille die erste Geige
Sie schließen den Innenraum vor äußeren Störgeräuschen ab und sind zugleich selber ein möglicher Geräuschherd.
Dichtungen müssen eine Reihe sehr hoher Anforderungen erfüllen. Sie benötigen eine hohe Stabilität gegen äußere Einflüsse wie Wind und Wetter, Hitze und Kälte, aggressive Reinigungsmittel und Treibstoff. Darüber hinaus müssen Sie sich optimal den konstruktiven Begebenheiten anpassen. Dichtungen müssen flexibel genug sein, um die Bewegungen des Fahrzeuges aufzunehmen, aber starr genug, um Flüssigkeiten und Dämpfe nicht in den Innenraum gelangen zu lassen. Zudem dürfen sie nicht aneinander oder an anderen Oberflächen anhaften und müssen ihre strukturelle Integrität bewahren.
Moderne Elastomere schaffen eine Vielzahl dieser Anforderungen spielend. Wo sie Defizite haben, greifen spezielle Beschichtungen ins Spiel ein.
Beschichtungen schützen Dichtungen und unterstützen sie in ihrer Funktionalität. Sie helfen dabei, dass Material beständiger gegen Reinigungsmittel, UV-Strahlen oder aggressive Chemikalien zu machen. Beschichtungen gewähren nachhaltig Flexibilität und bewahren die Dichtungen davor, auszuhärten und mit der Zeit spröde und rissig zu werden.
Dabei ist die Beschichtung oder punktuelle Benetzung von Dichtungen oder einzelnen Dichtstellen kein Zeichen minderer Produktqualität. Vielmehr ist es wie bei jedem guten Konzert: Die Mischung und das feine Zusammenspiel der einzelnen Instrumente bestimmen die Qualität der Musik.
Vielfältige Lösungen für ein vielseitiges Problem
Für die effektive Vermeidung von Störgeräuschen bieten sich lediglich zwei ernstzunehmende Möglichkeiten an: Die Vermeidung eines Kontaktes durch ein größeres Spaltmaß oder die Herabsetzung des Reibwiderstandes durch eine Behandlung der Oberfläche. Unterliegt die erste Möglichkeit zahlreichen optischen oder funktionellen Vorbehalten, gelten für die Beschichtung der betreffenden Oberfläche weder optische, haptische, technische, qualitative oder quantitative Einschränkungen. Zudem lassen sich Beschichtungen in jeder Produktionsphase einsetzen und eignen sich auch für die Nachbearbeitung.
Konstruktive Lösung
Das Erhöhen der Spaltmaße kann ein geeignetes Mittel zum Vermeiden von Reibgeräuschen sein. Allerdings ist es ein aufwendiger Prozess, der tief in die Konstruktion und das Design des Fahrzeug-Innenraumes eingreift. Überdies gelten hohe Spaltmaße als unästhetisch und stören das Gesamtbild des Interieurs. Manche Reibstellen und Geräuschherde lassen sich darüber hinaus aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht konstruktiv beheben.
Eine konstruktive Behebung bringt zudem keine kurzfristigen Lösungen. Sie benötigt immer ein gewisses Maß an Vorbereitungszeit und lässt sich im Vorfeld nur theoretisch auf ihre Wirksamkeit hin beurteilen.
Chemisch-technische Lösung
Zum Verhindern von Störgeräuschen sind in der Regel Öle, Fette oder Coatings das erste Mittel der Wahl. Welches Produkt dabei geeignet ist, hängt von den Umgebungsbedingungen, dem verwendeten Material und dem Ort der Anwendung ab. Die Produkte der OSIXO® ANTI-SQUEAK Serie haben hier einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil: Die meisten Produkte der Serie basieren auf PFPE/PTFE. Das ist chemisch inert und reagiert nicht mit dem behandelten Material. Daher kann es bedenkenlos auf nahezu allen Materialien im Fahrzeuginnenraum angewendet werden.
Ein neuer Weg: Aktive Unterdrückung von Abroll- und Fahrgeräuschen
Derzeit gehen die Bemühungen von Komponenten- und Fahrzeugbauern noch weiter. Neben der besseren Isolation und Vermeidung von Störgeräuschen werden Systeme entwickelt, welche diese Geräusche aktiv unterdrücken. Sensoren nehmen die Fahrgeräusche des Fahrzeuges auf und Lautsprechersysteme im Innenraum „antworten“ darauf mit entsprechenden Gegengeräuschen. Die Probleme für die Konstrukteure der Fahrzeuginnenräume aber bleibt: Je weniger der Passagier im Innenraum von den Geräuschen außerhalb mitbekommt, desto mehr muss auch auf die Vermeidung von Störgeräuschen im Fahrzeuginnenraum geachtet werden. Und die gesteigerte Anzahl von Komponenten und Bauteilen im Innenraum ist dabei nicht gerade förderlich.
Auswahlkriterien: Das richtige Produkt finden
Jede Anwendung ist speziell und muss einer individuellen Überprüfung unterzogen werden. Die Vielzahl der Faktoren, welche die Auswahl des richtigen Materials beeinflussen, lassen nur bedingt universelle Aussagen über die Eignung eines Produktes zu. Dennoch kann man anhand von Erfahrungswerten relativ genaue Prognosen stellen und eine Produktvorauswahl treffen.
- Kompatibilität und Verträglichkeit:
Die Abstimmung aller verwendeter Materialien aufeinander ist von enormer Wichtigkeit. Die Produkte müssen mit den behandelten Oberflächen und Materialien langfristig verträglich sein. - Analyse der Umgebungsbedingungen bei der Anwendung und im späteren Betrieb:
Beeinflussende Faktoren wir Temperaturbelastung, Verunreinigung durch Staub und Schmutz, Wasser, Reinigungsmittel sind ein elementarer Faktor für die Effizienz der Produkte. - Praktische Überlegungen zur Anwendung:
Befindet sich die Anwendung an einer leicht zugänglichen Stelle? Ist für eine eventuelle Nachbehandlung ein Ausbau nötig? Wird ein Applikatorensystem benötigt? All diese Fragen tragen zur Auswahl des optimalen Produktes bei. - Die Dauer der Anwendung:
Handelt es sich um eine kurzfristige Montagehilfe oder um einen schnellen Problemlöser? Oder soll das verwendete Material eine Lebensdauerschmierung gewähren? - Optik, Haptik und Wahrnehmung:
Hier stehen die sekundären Produkteigenschaften im Vordergrund. Selbst ein optimal funktionierendes Mittel kann nicht verwendet werden, wenn es einen negativen Einfluss auf die Qualitätswahrnehmung hat. So stellt sich immer die Frage: Kommen die Produkte im sichtbaren oder unsichtbaren Bereich des Fahrzeuginnenraumes zur Anwendung? Ist das verwendete Produkt farbneutral? Wird die Funktionalität oder die Bewegung der Komponente durch das verwendete Material beeinträchtigt? Oder soll das verwendete Material gar bewegungsmindernd oder -fördernd wirken? - Weitere, Spezielle Anforderungen an das verwendete Produkt:
Hier lässt sich beispielsweise die Überprüfbarkeit der Beschichtung mithilfe eines UV-Tracers nennen.
Auswahl der richtigen Schmierstoffart
Neben der Wahl des optimalen Produktes kann auch seine Erscheinungsform entscheidend für den Erfolg sein.
- Ein Aerosol wird empfohlen, wenn großflächig geringe Mengen ohne Vorbehandlung aufgetragen werden sollen. Aerosole sind auch das erste Mittel der Wahl, wenn es um die Beschichtung verwinkelter oder schlecht zugänglicher Bauteile geht. Auch für Nacharbeiten eignen sich Aerosole besonders.
- Ein Öl wird für den Auftrag höherer Schichtdicken als bei der Verwendung von Aerosolen empfohlen. Auch bei elastischen Untergründen eigenen sich Öle besonders. Öle kommen zum Beispiel bei der Beschichtung von Leder und von Elastomeren zum Einsatz. Durch die Verwendung von speziellen Applikatoren eignen sich Öle besonders für die punktgenaue und sparsame Applikation.
- Ein Fett wird empfohlen, wenn eine sehr hohe Schichtdicke erreicht werden soll. Auch an Stellen, an denen ein Öl nicht ausreichend anhaftet und die Beschichtung mit einem Coating nicht möglich ist, kommen Fette zum Einsatz. Sie werden auch für besonders beanspruchte Bereiche im nicht sichtbaren Bereich verwendet. Sie kommen zum Einsatz, wenn Reibwerte definiert beeinflusst oder Bewegungen gedämpft werden sollen.
- Ein Coating wird für niedrige Schichtdicken empfohlen. Hier muss das behandelte Material für einen Überzug mit einem Coating geeignet sein. Stark saugende oder Materialien mit einer hohen mechanischen Belastung sind für eine Beschichtung weniger geeignet. Coatings sorgen für eine dauerhafte Behandlung der Oberfläche an Stellen, die nach der Montage nur schwer zugänglich sind.